Wie geht es Gott?

von Claus Eurich

 

In Milliarden und Abermilliarden Galaxien mit jeweils wiederum Milliarden und Abermilliarden Sonnen hatte er sich verströmt. Es war, in seiner Rechnung, der achte Tag. Gott sehnte sich nach Ruhe. Er erinnerte sich an jene kleine Galaxie, an deren Rand er ein Planetensystem gestreut hatte, in vollendeter Harmonie, als Geschenk auch an sich selbst für die Verzauberung an traurigen Tagen. „Siehe, es ist sehr schön", hatte er damals gedacht.
Aus der Tiefe und der Stille des Alls schaute, suchte und fand er inmitten sein Kleinod. Erhaben schwebte das blaue Wunder, wie er es selber nannte, um die Sonne, die es wärmte. Ein Paradies für unendlich viele Lebensformen sollte es sein. Was wohl daraus geworden war? Bis zu dieser Frage war Gott voller Gleichmut, seinem tiefsten Wesen gemäß.
Was er dann sah, zerstörte jäh seine Hoffnung auf die Ebenbildlichkeit der besonderen Wesen, denen er diesen Planeten zur Entwicklung übergeben hatte. Ja, er sah Liebe, er sah Fürsorge, und er spürte die Sehnsucht nach sich, die er als Samen in die Seelen und Herzen gelegt hatte. Aber was war das, verglichen mit der zügellosen Ausbreitung, den Zerstörungen, der Vernichtung, der Misshandlung von Leben? Brennende und gerodete Wälder, verschmutzte und zugemüllte Meere; versiegelte Böden, zurückgedrängte und gemarterte Tiere und Pflanzen – und überall Funkenschlag. Seine Geschöpfe führten Krieg gegen sein Wunder, gegen das Leben, gegen sich selbst und damit auch gegen ihn, Gott.
Irritiert zog er sich zurück. Was hatte er übersehen? Freiheit war doch als Gnade gedacht. Gott suchte einen Ort der Ruhe, nun auch, um sich zu besinnen. Sein einstiges Kronjuwel stand dafür nicht länger zur Verfügung. Er überließ es vorerst alleine den Gesetzen, die er dem gesamten Universum eingehaucht hatte, dem Dreiklang aus Werden, Entwicklung und Vergehen. Vielleicht, dachte er sich, schaue ich eines Tages einmal wieder vorbei. Vielleicht gelingt den Menschen ja ein Wunder, die Fähigkeit dazu habe ich ihnen doch gegeben ...

Claus Eurich, Jahrgang 1950, lehrte als Professor für Journalistik an der TU Dortmund. Heute arbeitet er als Publizist und Blogger. Bei Claudius ist soeben sein Buch Endlichkeit und Versöhnung. Minima Spiritualia erschienen.